Montag, 26. August 2013

Big Heat (Johnnie To, Tsui Hark, Yeung Wah, 1988)

"The hostage asked me why I shot him. I told him the gun misfired. He says he'll sue. These guns are supplied by the UK. Go sue the England."

OT - Seng fat dak ging
Regie - Johnnie To, Tsui Hark, Yeung Wah
Drehbuch - Gordon Chan
Kamera - Chik Kim-Kit
Erscheinungsjahr - 1988
Laufzeit - 98 Minuten


Während man die Einflüsse des jungen Johnnie To hier vor allem in mehr konzeptuellen Methoden und Ideen der Inszenierung wiederfindet, sowie in einem gewissen Sinn für ein etwas melancholisches Darstellen einiger psychologischen Spielereien mit dem Hauptcharakter und seinen Defiziten, entsteht durch die sehr explikative und übertriebenen Gewaltdarstellungen seines Co-Regisseurs eine sehr fühlbare Unausgeglichenheit. Denn obwohl Gewalt in Tos Filmen häufig ein Element ist, verkommt sie nie zu einem Mittel der Befriedigung oder Ausschlachtung abwertender Emotionen. Sie mag zwar meistens stilisiert sein, doch ist sie immer an eine tragische Spannweite, Verzweiflung oder Verlorenheit gekoppelt welche die schwere des Todes nie außer acht lässt (bestes Beispiel sei da sein letzter Film Drug War). Deshalb wirkt der Film in seiner Glorifizierung der drastischen Gewalt oft unpassend inmitten den von To gezeigten Elementen. Wenn man sich jedoch aus diesem Blickwinkel (gerichtet auf To, und wie der Film in seinem größeren künstlerischen Kontext funktioniert) etwas befreien kann, etwas das bei der Gewaltdarstellung nicht unbedingt sein muss, funktioniert der Film aber sehr gut als Teil des Heroic Bloodshed Genres. Wodurch vor allem durch das blut-durchtränkte Ende etwas Sinn für Fatalismus aufkommt und die Gewalt einigermaßen erträglicher macht da sie in einen tragbareren Kontext gerückt wird. Die Geschehen mündet somit nämlich eher in einer Geschichte über Verlierer, anstatt in eine über Gewinner.

Sonntag, 25. August 2013

Breaking News (Johnnie To, 2004)

"I have a bad stomache."

OT - Dai si gin
Regie - Johnnie To
Drehbuch - Hing-Ka Chan, Yip Tin-Shing
Kamera - Cheng Siu Keung
Erscheinungsjahr - 2004
Laufzeit - 90 Minuten


Breaking News. Schwarzes Bild. Dann:
Die Kamera sieht in die Luft, nur blauer Himmel und die oberen drittel vereinzelter Hochhäuser sind zu sehen. In einer Bewegung schweift die Kamera nun langsam ihren Blick nach unten, um uns den räumlichen Überblick über eine kleine Seitengasse zu liefern. Ihr Sitz ist aber immer noch erhöht, fast auf einer Höhe mit den Häuser die sie umgibt. Langsam bahnt sich die Kamera ihren Weg hinunter in die Seitengasse und fängt in ihrer Mitte eine Person ein welcher sie, nun mit allen drei Beinen auf dem Boden, folgt. Sie beobachtet diese männliche Person von hinten wie sie in einen Hauseingang verschwindet. Mit immer noch wackerem Interesse fliegt die Kamera nun einfach wieder in die Lüfte, an der Hauswand nach oben, um an einem offenen Fenster im zweiten Stock ein Zimmer zu entdecken in welchem unser unbekannte Mann von vier anderen Männern empfangen wird. Sie reden, doch was sie sagen ist nicht von großem Interesse, irgendjemand soll angeblich ein Auto vorfahren und ganz suspekt scheinen sie auch nicht zu sein. Die Männer machen sich fertig und verlassen langsam das Zimmer, einer jedoch geh noch einmal an das geöffnete Fenster vor dem noch immer unsere Kamera verweilt. Seinem Blicke nach draußen folgend, schwenkt die Kamera nun rechts hinunter und sieht auf einmal wie eine Zeitung, welche auf einem kleinen Dach unterhalb des Hauses liegt, vom Wind weiter nach rechts geblasen wird und genau auf der Windschutzscheibe eines Autos landet. Die Kamera ist nun wieder auf dem Boden und fährt langsam an das Auto heran welches da unten parkt. Der Fahrer nimmt die Zeitung von seiner Scheibe und redet mit seinem Beifahrer, irgendwas wird gesagt. Der Beifahrer fragt beiläufig ob die Nachrichten denn schon wieder Zeitverschwendung sein wird. Der Fahrer antwortet leichtfüßig das sie wissen würden was denn heute passiert wenn es die Zeitung von morgen wäre. Wieso er das sagt ist nicht genau klar, das er etwas vorhat, auf etwas oder jemanden wartet (könnten es die suspekten Personen in dem Haus sein?) ist aber deutlich.




Dies sind nur die ersten knapp zwei Minuten der insgesamt sieben minütigen Eröffnungseinstellung-/szene von Johnnie Tos Breaking News. In einer einzigen ungeschnittenen Einstellung schafft es To die Kamera vom Himmel herunter zu holen, auf dem Boden herumfahren zu lassen, wieder in den Himmel zu schicken, erneut nach unten schweifen zu lassen nur um dort all mögliche Geschehnisse einzufangen für dessen Entstehung es normaler Weiße die Magie der Montage benötigt. Was die Kamera hier aus technischer Sicht leistet ist in der gesamten Filmgeschichte vielleicht nur noch mit der berühmten Beerdigungsszene aus "I Am Kuba" zu vergleichen. Doch auch formal schaff er es mit seiner einzigartigen Bildsprache diese technische Kompetenz so zu benutzen, um mit einfachsten Gesten und Bewegungsabläufen der Kamera intuitiv inhaltliche sowie charakterbildende Gegebenheiten (Wer ist sind die guten, wer die bösen und was sind ihre groben Charakterzüge) einzuführen. Das alles mitsamt einer ständigen und langsam aufbauenden räumlichen Kohärenz die aus dieser kleinen Gasse, welche sich binnen weniger Sekunden in ein Kriegsgebiet verwandelt, eine geschlossene Einheit schafft. Ein Meisterwerk der Filmkunst. Wie der Rest des Filmes, dessen Medien-Satire sich mit mehrmaligen sehen viel besser in ein sonst so pures visuelles Vergnügen eingliedert. So geht es in Breaking News nämlich nur auf einer Ebene um diese Medien, der Rest ist ein grandioses Spiel mit Räumen (anfangs offen, nur begrenzt durch die transparenten Räume der urbanen Umgebung, dann durch den Wechsel ins Hochhaus eingeengt durch tatsächliche Räume - Treppenhäuser und Gänge). Ein Ausnahmefilm des modernen Kinos und trotzdem "nur" der 12. beste Film des Johnnie To. Da kann einem schon mal schwindlig werden.

Samstag, 24. August 2013

The Enigmatic Case (Johnnie To, 1980)

"I ain't human, but I ain't dead."

OT - Bik seoi hon saan dyut meng gam
Regie - Johnnie To und Yeung-Wah Kam
Drehbuch - Zhu Yan
Erscheinungsjahr - 1980
Laufzeit - 91 Minuten


Die Früh-Phase des Kinos von Johnnie To verschwindet meistens unweigerlich neben seiner, von neuer Kreativität und Freiheit geprägten, Ära die mit der Gründung seines Milkyway Produktionsstudio begann und bis heute stark anhält. Verwunderlich ist dies nicht, da die Höhen welche der Hong-Kong Meister mit jedem weiteren Film heutzutage durchbricht auch durchaus von anderer Qualitativen Güte sind wie seine Anfänglichen Gehversuche, doch ist es durchaus eine enorm interessante und erleuchtende Tätigkeit/Vergnügen, sich näher mit eben jenen auseinanderzusetzen. Sein Debüt stellt da keine Ausnahme dar. Schon durch das wild-suggestsive Intro wird anfangs klar das man es hier nicht einfach nur mit einem Martial-Arts Film zu tun hat, man wird eher an japanische Exploitation-filme der 70er erinnert (und in späteren Momenten auch an Italo-Western) wenn man sich die Musik sowie die Raum-verzerrenden Schnittmuster ansieht. Sich in eine einfache Genreklassifikation zu drängen war To wohl damals schon zu einfach. Dies wird speziell ersichtlich wenn der Film sich gen Ende endlich öffnet im Bezug auf sein Inhaltliches Leitmuster, und uns zeigt was die Motivationen unseres eigentlichen Antagonisten sind. Hier regiert nicht etwa Rache, Hass oder blinde Ehre, sondern ausgerechnet Nächstenliebe und soziales Engagement. Eine bedeutende Information im Film, die selbst unseren Helden zum innehalten anregt, welche vom körperlich schwächsten Charakter (einer Frau) benutzt wird um die zwei Personen zu beschützen die sie am meisten liebt, welche drauf und dran waren sich gegenseitig zu töten. Eine unglaublich warmherzige Aktion, die zwar leider doch fatalistische Endresultate mit sich zieht, in ihrer Aufrichtigkeit bezüglich festgefahrener Geschlechterrollen im Genrefilm aber durchaus positiv zu bewerten ist. Auch stilistisch weißt der junge To bedeutende Akzente auf die man bis in seine jetzige Schaffensphase mitverfolgen kann. Ganz besonders hervorzuheben seien hierbei die letzten beiden Kampfszenen, welche durch ihren innovativen sowie tragisch konnotierten Zeitlupeneinsatz, den expressiven Licht/Schattenspielereien oder klaren Raumdarstellungen deutlich aufzeigen, das man hier einen jungen Mann vor sich hat dessen Zukunft mehr als nur vielversprechend seien könnte.



Samstag, 17. August 2013

Miami Vice (Michael Mann, 2006)

"Probability is like gravity: you cannot negotiate with gravity."

Regie & Drehbuch - Michael Mann
Kamera - Dion Beebe
Erscheinungsjahr - 2006
Laufzeit - 13 Minuten



Anders als zuvor in Collateral, als Michael Mann noch einige Szenen auf Film gedreht hat um die Einschränkungen des digitalen Kinos zu überbrücken, gibt er sich in Miami Vice fast vollkommen dieser neuen Aufnahmetechnik hin. Er akzeptiert die Limitationen des Digitalen und verwendet sie hier das erste mal wirklich als Vorteil, um sich den ästhetischen Eigenheit nicht als Problem zu nähern sondern als einen lediglich neuen Weg etwas zu zeigen. So ist es verständlich wenn das körnige Bild in den Nachtaufnehmen z.B. zuerst noch für einige ablenkend wirken mag sollte man sich jedoch im klaren sein das es sich hier um etwas neues handelt. Wenn die zwei Hauptcharaktere am Beginn des Filmes z.B. aus dem See an Menschenmassen in einer Disko, voll von über-stimulierenden Farben und Geräusche, nach draußen auf ein Dach gehen und sich hinter ihnen ein See an Lichtern und Gebäuden ausbreitet, dann legt Mann die Konzentration hier auf die Fähigkeiten des digitalen Bildes und dessen enorme Weitsicht. So entstehen wort-wörtlich unendliche Kompositionen welche in ihrer starken Einteilung und horizontalen Gliederung, in denen der rote Himmel den Großteil des Bildes einnimmt und die Lichter der Großstadt zu einer feinen Linie in der unteren Hälfte werden, dann am besten mit deutscher Früh-Romantik zu vergleichen sind (David Friedrichs "Mönch am Meer" kommt in den Sinn). Hier passt sich also nicht nur die eine Bewegung auf die andere ab, sondern auch Linien und Formen sowie Farben und Gesten. Ein Abgleich geometrische Symbole und formalen Einheiten die nicht nur im autonomen Bild an sich eine Präsenz finden, sondern auch mit Verbindung andere darauffolgender eine Bedeutung ergeben. Ein ständiger Fluss an Bildern der eben nicht nur mit sich im einzelnen (und uns) kommuniziert, doch auch untereinander die klare Linie der suggerierten oder dargestellten Empfindungen und Wahrnehmungen unterstreicht. Das mag jetzt alles recht theoretisch klingen, doch schaffte es Mann ja gerade durch diese neuen Möglichkeiten eine Erweiterung seiner sowieso schon weit ausgebreiteten Emotionen. Die Sehnsucht von Professionellen nach etwas außerhalb ihrer kalten Tätigkeiten, der Blick in diese immer weiter ausbreitende Weite. Doch bietet diese keine Antwort, am Ende ist alles wieder wie am Anfang und der Versuch der Flucht in einen Traum nach Liebe und Frieden ist nur ein Traum geblieben. Ein schöner, aber hoffnungsloser. Ach du süße Melancholie, lass mich noch verweilen. Sie sieht ihn. Er sieht sie. Sie fährt weg, ihn im Blick. Doch er ist schon fort, zurück in seiner Welt.
One of these mornings / Won't be very long / You will look for me / I'll be gone.
I'll be gone...

Dienstag, 13. August 2013

Die Piratenkönigin (Jacques Tourneur, 1951)

"You lied to me."

OT - Anne of the Indies
Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Philip Dunne, Arthur Caesar, Herbert Ravenel Sass
Kamera - Harry Jackson
Erscheinungsjahr - 1951
Laufzeit - 81 Minuten


Die Geschichte eines hübschen jungen Franzosen, der sich in Geheimer Mission auf das Piratenschiff eines der teuflischsten Kapitäne der Meere begibt, um von der britischen Marine sein schönes Schiff wieder zu bekommen. Und seine Ehefrau. Langweilig. So hat es sich wahrscheinlich auch Tourneur gedacht und dreht unseren Blickwinkel dieser Geschichte einfach mal auf den Kopf, in dem unser Hauptcharakter eben nicht der hübsche junge Franzose ist sondern der teuflische Kapitän. Wäre das nicht schon gewagt genug, wird aus dem Kapitän die Kapitänin. Auf die zahlreichen sexuellen Implikationen will ich hier gar nicht eingehen, da diese an fast jeder Ecke lauern. Schön aber zu sehen wie sich ein Film vornimmt, vor allen wenn man mal das Erscheinungsjahr betrachtet, einen Film über den "weiblichen Blick" zu machen. Anne ist zwar kleiner als fast all ihre männlichen Gegenspieler und an Wahnsinn, Gewalt oder Fehlendscheidungen fehlt es ihr auch nicht, doch ist es sie die in lodernden Flammen verglühen darf. Sie ist es die (bitte entschuldigt) die Hosen an hat. Sie ist es die im Angesicht des Verderben ihren (erneut, Entschuldigung) Mann steht und dem Feind ins Gesicht sieht. Eine freie Frau, wenn auch nicht ohne Fehlern. Doch das sie diese haben darf, macht sie in ihrer Unglück doch so menschlich.

Donnerstag, 8. August 2013

Heaven's Gate - Zeitsprung #1

Einer der beeindruckendsten Zeitsprünge im Kino. Ein überbrücken von Zeit, Land, Träumen, Ambitionen gebündelt in Versagen und grausamer Melancholie.







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Der Rebell (Jacques Tourneur, 1950)

"Now, Marchese, we're in the dark where a sword is just a long knife."

OT - The Flame and the Arrow
Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Waldo Salt
Kamera - Ernest Haller
Erscheinungsjahr - 1950
Laufzeit - 85 Minuten


Es grenzt fast schon an Größenwahn wie die spektakulärste Szene in Tourneurs zweitem famosen Technicolor Film, komplett in der Dunkelheit inszeniert wird. Tourneur gleicht auch für "Der Rebell" seinen Stil der neuen Praktik nicht an, sondern macht sie sich komplett zu eigen und schöpft die neuen Möglichkeiten so weit aus um seine Vision zu komplementieren, anstatt sie von ihnen zu vereinnahmen lassen. Tourneur Form steht dabei in ständiger Kommunikation mit den inhaltlichen Zügen seiner eher spaßigen Abenteuer Geschichte. Die Inszenierung der Innenaufnahmen z.B. , in den weiten Hallen des Schlosses, sieht dann schon fast so aus als würde er Still Leben photographieren. Passend für das tote Dasein des dekadenten Herzogs. Ein augenscheinlich kleiner Film in Tourneurs Schaffen, wohl auch aufgrund seiner leichten Gangart und der romantischen und gymnastischen Ausartungen von Filmheld Burt Lancaster, doch sind es genau diese Komponenten die dem Film seine eigentliche Größe verleihen. Kurz genug um den falschen Heroismus unseres Helden als solchen zu erkennen ("I don't know which gives me more pleasure: kissing you or hitting you. 'Don't move till I come back' A girl could starve waiting for you!" Sagt ein Fräulein am Anfang des Filmes) und gerade lang genug um sich nicht in ihnen zu verlieren wenn sie eingesetzt werde

Dienstag, 6. August 2013

Berlin Express (Jacques Tourneur, 1948)

"That's right - the dove of peace was a pigeon. A dead pigeon."


Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Curt Siodmak, Harold Medford
Kamera - Lucien Ballard
Erscheinungsjahr - 1948
Laufzeit - 87 Minuten


Was ist ein Auteur? Tourneur sicherlich nicht. Als man ihm das Drehbuch für "Berlin Express" gab, äußerte er keinen Widerspruch. Als das Studio ihm die weibliche Hauptrolle vorschrieb, welche gleichermaßen ihren Mann den Kameramann mit ins Boot holte, war ihm das auch herzlich egal. Es gab keine Konflikte, kein Drama. Tourneur ging einschneidende Kompromisse ein, sein Status als Auteur also nichtig. Wieso ist es aber das jeder seiner Filme eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit ähnlichen Themen ist (z.B. Unwissen, Unfähigkeit, Niederlagen und die Angst vor diesen), eine Vision die sich entweder psychologisch, philosophisch oder poetisch gewichtet in seinen Filmen verteilt. Filme von verschiedenen Studios, mit verschiedenen Drehbüchern, mit verschiedenen Schauspielern und verschiedenen Kameramännern. Ich glaube es ist klar worauf ich hinaus will. Tourneurs kraft liegt in seiner Form und was er durch sie kommuniziert. Berlin Express ist ein Film der Bewegung. Das folgen von Bewegung in Bewegung, meist linear, perfekt durchgeführt in den Szenen im Zug in welchen Tourneur die Kamera tief in die engen Gänge drängt. Und dann natürlich Bewegung im Stillstand wenn man sich durch die zerbombte Umgebung Deutschland wühlt. Und obwohl man nun aus der Enge des Zuges befreit worden ist, gibt der Film einem nun im Freien mehr als zuvor ein Gefühl der Hilflosigkeit. Hilflosigkeit gegenüber den eigenen Ressentiments und Unterschieden. Ein Film über einen Amerikaner, Franzosen, Briten und Soviet die sich gemeinsam auf die Suche nach einem Deutschen machen. Nicht aber etwa um ihn zu töten, sondern um ihm zu helfen. Eine noble Absicht, vor allem in der Nachkriegszeit, doch Tourneur zeigt auf das es auch da Grenzen gibt. In dem Versuch der Vereinigung und dem gegenseitigen Verständnis kann durchaus eine Freundschaft entstehen, doch fehlt dem gegenüber zwangsläufig und per Definition oft der Kontext. Wie die Hilflosigkeit des Amerikaners, der in dem Schlüsselmoment des Filmes in einem großen Bierbraukessel gefangen ist und nur zusehen kann. Am beeindruckendsten und sensibelsten ist diese Hilflosigkeit aber beim Ende dargestellt: Unser Amerikaner, unser Brite, unsere Deutschen und Soviets trennen sich in Freundschaft, die Musik schwillt an, die Kamera setzt sich zurück und sieht unsere letzten Gefährten in ein Auto steigen. Doch bevor der Film uns mit seinem "The End" verlässt sieht man, vollkommen ohne Ironie oder Zynismus, einen Einbeinigen Mann durchs Bild humpeln. Durch die Ruinen Berlins. So viel Schuld, Zerstörung und Leid kann man von der anderen Seite nicht nachempfinden, schon gar nicht verstehen. Freundschaft aber, die kann nützlich sein.

Sonntag, 4. August 2013

Feuer am Horizont (Jacques Tourneur, 1946)

A man can choose his own gods, Cornelius. What are your gods?

OT - Canyon Passage
Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Ernest Pascal, Ernest Haycox
Kamera - Edward Cronjager
Erscheinungsjahr - 1946
Laufzeit - 92 Minuten


Für seinen ersten Farbfilm, dreht Tourneur dem Genre das ihm die ersten Erfolge gesichert hat den Rücken zu und macht seinen nicht minder beeindruckenden Einstand im Western. Dies soll aber nicht heißen das der Mann keinen Respekt vor dem Horrorfilm hatte. In späteren Jahren drehte er nur noch einen wirklichen Horrorfilm (Night of the Demon) in welchem er sich dazu entschied, trotz all der Erfahrung im Farbfilm, wieder zu der expressiven Stärke des Schwarz-weißfilm zurück zu kehren. Aber das nur am Rande. Sein Einstieg in den Western zeigt deutlich das Tourneur wirklich einer der ganz großen war. Einer dem es, bei all der Liebe zu den verschiedenen Genres, nicht um gängige Implikationen in diesen ging, sondern um eine persönliche Auslegung mit Ausdruck eigener Ideen. Sein Western ist kein Western, keine nostalgische Zivilisation der Ehre. Sondern eine des Geldes, der Gier und der Gewalt. Unser Cowboy kein Revolver-held, sondern fast schon ein Pazifist. Wenn er mal Kämpft dann nur weil ihn die Gesellschaft wortwörtlich dazu zwingt. Es sei gute Unterhaltung sagt der eine, der andere hat eine Wette am laufen. Eine friedliche Gemeinschaft die gemeinsam das Haus für zwei frisch verheiratete gebaut hat, nun ein Mob die unseren Helden zum Kampf anfeuern und danach fragen warum er seinen Gegenüber nicht getötet hat. Das eigenen Volk ist hier kaum besser als die bösen Indianer. Tourners filmisches Geschick seine Ideen simpel und mit perfektem Ausgleich unterschwellig oder direkt zu kommunizieren ist erstaunlich. Das rein räumliche kartieren von Umgebung und Verbindungen sowie seine ausdrucksstarken Farbbilder und tiefen/dynamischen Kompositionen mal ganz zu schweigen. Ein harmonischer Film in einer gierigen Welt.

Freitag, 2. August 2013

Donnerstag, 1. August 2013

Ich folgte einem Zombie (Jacques Tourneur, 1943)

"Everything seems beautiful because you don't understand. Those flying fish, they're not leaping for joy, they're jumping in terror. Bigger fish want to eat them. That luminous water, it takes its gleam from millions of tiny dead bodies. The glitter of putrescence. There is no beauty here, only death and decay."

OT - I Walked with a Zombie
Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Inez Wallace, Curt Siodmak, Ardel Wray
Kamera - J. Roy Hunt
Erscheinungsjahr - 1943
Laufzeit - 69 Minuten



Tourneurs vielschichtiger und zugleich Atmosphären-reichster Film seiner Frühphase. Das Ungewisse ist wieder vorhanden, diesmal aber verankert in den Köpfen der Personen(-gruppen). Anders als "Katzenmenschen", welcher mit seiner suggestiven Haltung dann am Ende einen definitiven Strich gesetzt hat bzgl. der Wahrheit der Situation, macht es sich Tourneur hier nicht mehr so einfach. Der Zuschauer muss nun selber entscheiden und wird zwangsweise durch seine Antwort auch etwas über sich selbst erfahren. Die konsequente Dualität in der Stellungnahme und Durchführung dieser Frage nach dem einen oder anderen, dem Realen oder Übernatürlichen, ist mit die größte Stärke in dieser "Variation" über das Thema des Ungewissen. Der Film wird nie absolut in seinen Vermutungen und treibt somit ein Spiel der Argumente, sprichwörtlich sowie bildlich. Tourneurs Bilder vibrieren einmal wieder nur so voller Expression, Rauheit und (doppel) Kodierungen, sodass der Film eine enorme Nachwirkung mit sich zieht, da noch so viel Kontext und Bedeutung unter der Oberfläche lauert, welche bei der kleinsten Unaufmerksamkeit verloren gehen kann. Ein enorm sinnlicher Film bleibt er aber so oder so.

The Leopard Man (Jacques Tourneur, 1943)

"I've learned one thing about life. We're a good deal like that ball, dancing on the fountain. We know as little about the forces that move us, and move the world around us, as that empty ball does."

Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Cornell Woolrich, Ardel Wray, Edward Dein
Kamera - Robert De Grasse
Erscheinungsjahr - 1943
Laufzeit - 66 Minuten


Wie auch "Katzenmenschen" davor oder "Ich folgte einem Zombie" danach ist "The Leopard Man" wieder ein Film über das Ungewisse. Wo ersterer aber mehr sexuell-psychologisch gewichtet war und der Film darauf mehr psychologisch-soziologisch, ist "The Leopard Man" mehr an der fast schon existenziellen, philosophischen Deutung interessiert. Das Ungewisse in jedem Menschen mit den Kräften die uns Bewegen, uns Antreiben oder uns in unser verderben stürzten. Ein unsichtbares Schaffen das man je nach spiritueller Auslegung mit Idolen sowie Objekten füllen kann oder eben jegliche kausale Verbindung zu etwas "höherem" verneint und sich dem Zufall oder dem Trieb hingibt. Tourneur geht den letzten Weg und reduziert daraufhin konsequenterweise den Film auf die nötigsten Mittel. Die Geschichte ist nicht existent und Charaktere kommen so schnell ins Bild wie sie wieder gehen, sie sind lediglich durch schieren Zufall miteinander verbunden. Und manchmal sogar überhaupt nicht. Dabei wird aus dem Film fast schon eine reine Übung in Atmosphäre und klare Darstellung der Mechanismen des Horrorfilms. Ein einziges laufen, (zurück-)sehen und schauen in und durch eine Dunkelheit dessen Angst dadurch entsteht das man nicht weiß was in ihr lauern mag. Simpel, effektiv und affektiv.